Berith...spielt Golf

Platzreife: Führerschein für Golfer

Als mein Mann mir eröffnete, er wolle Golf spielen, war ich begeistert: Freiwillig bewegen, an der frischen Luft – Wow, das gab es noch nie!
Und Golfspielen kann so schwer nicht sein, schließlich ist der Sport gerade bei der betagteren Bevölkerung sehr populär.

Das kann ich auch – dachte ich mir. Also los zum Platzreifekurs!

Wer Golf spielen will, braucht zu allererst die Platzreife. Sie ist quasi der Führerschein für den Golfplatz. Die Prüfung besteht aus einem Theorie- und einem Praxisteil. Es gibt verschiedene Angebote hinsichtlich Dauer und Kosten eines Platzreifekurses. Wir entschieden uns für einen dreitägigen Intensivkurs auf Schloss Lüdersburg bei Lüneburg.
Informationen zur Theorieprüfung und ein Zugang zum Onlineportal mit Theorieinhalten und Onlineprüfung wurden vorab bereitgestellt. Wer wollte, konnte so schon mit bestandener Theorieprüfung anreisen und sich auf den Praxispart konzentrieren. Und der hatte es in sich…

Golf ist kein Sport?

Nach 3 Tagen Golf-Intensivkurs, mit jeweils sechs bis acht Stunden Training jeden Tag, war ich körperlich am Ende:

Meine Hände hatten den Schläger so sehr festgehalten, dass sie sich nun wie Klauen anfühlten und jedes Strecken unendlich viel Mühe kostete. Meine Finger zierten mehrere Blasen.

Nach stundenlang leicht gebückter Haltung, denn so steht man beim Golfen, war an einen aufrechten Gang war kaum zu denken. Das ständige Bücken, um den Ball für den Abschlag zu positionieren, machte es nicht besser. 
Ein starker Rücken ist gefragt. 

Meine Fitness wurde bereits beim Erkundungsgang über den Platz auf die Probe gestellt: Der Pro (=Profigolfer und unser Trainer) ging mit mir und den anderen vier Teilnehmern des Kurses über den Course (=Golfplatz). Während er, sein mit 14 Schlägern bestücktest Golfbag geschultert, lockeren Schrittes voranging, hatten wir Mühe, Schritt zu halten – und das ganz ohne Ausrüstung.

Über den Golfplatz schlendert man nämlich nicht: Man schlägt den Ball konzentriert in die gewünschte Richtung und folgt ihm dann flotten Schrittes. So zumindest die Theorie.

In meiner Praxis folgte ich dem Ball ziemlich abgehetzt in einer Art Zickzackkurs über den sehr breiten Übungsplatz. So hat man schnell mal die doppelte Kilometerzahl auf dem Schrittzähler, als der Platz eigentlich ausweist. Nicht umsonst gibt es die Weisheit unter Anhängern dieses Sports, schließlich den ganzen Platz bezahlt zu haben – da solle man ihn natürlich auch ganz nutzen.

Die sonst so sehr begrüßte Sonne rückte in ein ganz anderes Licht, als wir ihr stundenlang bei knapp 30°C auf der ungeschützten Driving Range ausgesetzt waren. Meine Schirmmütze zauberte ein weißes V auf Gesicht und Hals während der Rest in einem Rot leuchtete, das jedem Hummer Konkurrenz gemacht hätte.

Wer Komplexität mag, wird den Golfschwung lieben

Der Golfschwung ist die Verkettung einer Vielzahl von Bewegungsabläufen, bei der schon die kleinste Ungenauigkeit zu einem völlig fehlgeleiteten Ball führen kann. Die gleichzeitige Koordination verschiedener Gliedmaßen vor und während des Schlags stellte nämlich durchaus eine Herausforderung dar: Schläger korrekt greifen, beim Ausholen den linken Arm (für Rechtshänder) gerade halten, dabei nur den Oberkörper nach rechts drehen, den Unterkörper möglichst wenig mit drehen, den Kopf gar nicht drehen, sondern auf den Ball gerichtet und unten lassen, dann zuerst die Hüften nach vorn, also links, drehen, gefolgt von Oberkörper und Armen, die nicht angezogen werden dürfen…und dann den Ball treffen… und dann kommt noch das Finish: Weiter drehen, weiter schwingen, dem Ball hinterher sehen.

Üben sollten wir erst einmal mit dem Eisen 7, das für Anfänger der einfachste Schläger sein soll.
Das Eisen 7 und ich hatten anfänglich Beziehungsprobleme.  Entweder ich traf den Ball erst gar nicht oder er hoppelte nur ein paar Meter weit.
Nach stundenlangem Training dann endlich ein guter Treffer. Ein großartiges Gefühl, als der Ball das erste Mal flog! Whoop Whoop!

Auch das Kurzspiel will lang geübt werden

Weiter ging es mit Chippen, Pitchen, Putten. Erstere sind Annäherungsschläge zum Loch. Während der Ball beim Chippen flach fliegt und länger ausrollt, beschreibt er beim Pitchen einen hohen Boden und bleibt schnell liegen. Dieser Schlag erzeugt oft sogenannte Pitchmarken, kleine Dellen im kurzen Rasen. Beeindruckend, welchen Schaden ein so kleiner Ball anrichten kann.

Der Putt ist der Schlag, der den Ball im besten Fall einlocht und den jeder vom Minigolf kennt. Nur ist er beim richtigen Golfspielen um so vieles schwieriger. Man müsse dafür das Grün lesen. Aha.

Hier geht es um das Erkennen von Unebenheiten, Wellen im Boden, Schrägen, der Wuchsrichtung des Grases… Auch ob es feucht oder trocken ist, was Einfluss auf die Rollgeschwindigkeit des Balles hat. All diese Erkenntnisse sollen dann Einfluss auf die Art und Weise haben, wie der Ball gespielt wird. 

Golf ist nicht nur ein Sport, sondern eine Wissenschaft und ich war froh, wenn der Ball grob Richtung Loch rollte. Nicht selten landete er ganz woanders.

Gut gerüstet mit all diesen Informationen und praktischen Übungen gingen wir an Tag drei in die praktische Prüfung. Gemeistert haben wir sie alle.

So richtig Golf spielen konnte danach keiner.
Da hilft nur Übung, denn die macht bekanntlich den Meister.

Geschafft! Nun habe ich den Führerschein für den Golfplatz.